Zonenrandgebiet Braunschweig und Wiedervereinigung
100 Jahre Leben in Braunschweig und Region: In der Zeitspanne zwischen 1924 und 2024 erlebte die hiesige Bevölkerung Wirtschaftskrisen, Krieg und Zerstörung, aber auch Aufschwünge, Wiederaufbau und Jahrzehnte des Friedens. Doch der scheinbare Frieden wurde lange durch die Teilung Deutschlands in zwei deutsche Staaten überschattet.
Bei der heutigen Rückschau beschäftigen wir uns mit der Frage, was es für die Menschen der Region bedeutete, durch eine Grenze von ihren Angehörigen abgeschnitten zu sein und welche Folgen die Wiedervereinigung Deutschlands für die Öffentliche Versicherung Braunschweig hatte.
Braunschweig wird zum Zonenrandgebiet
Die Aufteilung Deutschlands in zwei Staaten war eine der Folgen des Kalten Krieges, bei dem sich die West- und Ostmächte zunehmend feindlich gegenüberstanden. Der schwelende Konflikt gipfelte 1961 in dem Bau der Berliner Mauer als Reaktion auf die anhaltend große Fluchtbewegung der DDR-Bürger. Eine 1.400 Kilometer lange, massiv befestigte innerdeutsche Grenze teilte Deutschland in Ost und West und riss nicht nur die Gesellschaft auseinander, sondern hatte auch Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung beider Staaten.
Die Region Braunschweig zählte plötzlich ebenso wie all jene Gebiete, die nahe der innerdeutschen Grenze lagen, zum sogenannten „Zonenrandgebiet“. Die Zonengrenze war nur 30 Kilometer von Braunschweig entfernt und schnitt die Stadt von ihrem Hinterland ab, wodurch Transportwege und familiäre Bande unterbrochen wurden. Bereits vor der Errichtung der Grenzanlagen gehörte die „grüne Grenze“ bei Helmstedt und Marienborn zu den beliebten Routen, um aus der ehemals sowjetisch besetzten Zone in Richtung Westen zu flüchten. Die daraus resultierende Flüchtlingswelle stellte Stadt und Region vor große Herausforderungen. Um die geflüchteten Menschen aufnehmen und versorgen zu können, erhielt Braunschweig über Jahrzehnte eine Zonenrandförderung, von der auch hier ansässige Unternehmen profitierten.
Mit dem Trabi nach Braunschweig
Am 9. November 1989, knapp 30 Jahre nach dem Bau der Mauer, wurden die Grenzübergänge zwischen der DDR und der BRD geöffnet. Einmal mehr wurde Braunschweig aufgrund der grenznahen Lage zum ersten Anlaufpunkt vieler ehemaliger DDR-Bürger. Unmittelbar nach der Grenzöffnung kamen allein an einem Wochenende rund 30.000 Menschen aus Ostdeutschland, um Braunschweig zu besuchen. Die Bilder der Trabi-Kolonnen, die sich damals durch die Stadt bewegten, sind bis heute fest im kollektiven Gedächtnis der Stadtbevölkerung verankert.
Die Öffentliche unterstützt beim Aufbau eines öffentlich-rechtlichen Versicherungssystems in Ostdeutschland
Auch die Braunschweiger nutzten die Gelegenheit, sich ohne aufwendige Grenzkontrollen auf die Reise in den Osten zu begeben. Unter diejenigen, die gen Osten aufbrachen, mischten sich früh Mitarbeitende der Öffentlichen Versicherung, um bei dem Aufbau eines öffentlich-rechtlichen Versicherungssystems zu unterstützen. Einen öffentlich-rechtlichen Versicherer, dessen Gewinne in die Region zurückfließen, hatte es in den neuen Bundesländern zuvor nicht gegeben. Im Jahr 1992 wurde die ÖSA (Öffentliche Versicherungen Sachsen-Anhalt) gegründet, die zu 50 Prozent von den ostdeutschen Sparkassen und zu 50 Prozent von der Öffentlichen Versicherung Braunschweig und der VGH getragen wurde.
Darüber hinaus ging für die Öffentliche Lebensversicherung mit der Wiedervereinigung in Teilen eine leichte Verschiebung des Geschäftsgebietes einher: Während Ortschaften wie Blankenburg nun im Zuge der neuen Gegebenheiten an die neu gegründeten Öffentlichen Versicherungen Sachsen-Anhalt abgegeben wurden, kam Hornburg als neuer Geschäftsbereich des Braunschweiger Versicherers dazu.
Wirtschaftlicher Aufschwung
Mit der Wiedervereinigung ging ein wirtschaftlicher Aufschwung für Braunschweig einher. Zwar fiel mit dem Abbau der Grenzanlagen auch die einstige Zonenrandförderung weg, von der etliche braunschweigische Unternehmen partizipiert hatten. Dafür nahmen Stadt und Region plötzlich eine zentrale geographische Lage ein, was wiederum dazu führte, dass sich viele neue Unternehmen in Braunschweig ansiedelten. Der wirtschaftliche Aufschwung, der mit Beginn der 1990er Jahre einsetzte, stärkte den Handel und den Dienstleistungssektor, was auch der Öffentlichen Versicherung zugutekam. So profitierte etwa die Lebensversicherung von der positiven wirtschaftlichen Entwicklung der neu angesiedelten Unternehmen, die in die Altersvorsorge ihrer Mitarbeitenden investierten.